Danke für Deine Zeit und die Lust zu einem zweiten Interview. Was einen erfolgreichen Autoverkäufer ausmacht, soll erneut unser Thema sein.

Und starten möchte ich mit dem Hinweis auf ein Buch von Malcolm Gladwell mit dem Titel BLINK! Die Macht des Augenblicks. Dort berichtet er von Bob Golomb einem Ausnahmetalent als Nissan-Autoverkäufer in den USA. 20 Verkäufe pro Monat gingen auf sein Konto.

Die Aufteilung nach Neu- und Gebrauchtwagen wissen wir hier nicht, oder?

Nein, darüber sagt das Buch leider nichts aus. – Aber wie auch immer, interessant es wird es bei den Ausführungen zur ersten Kundenbegegnung.

Nach Golomb käme es darauf an die Situation blitzschnell zu erfassen und mit den wenigen Informationen aus dem Blickkontakt sein Verhalten darauf einzustellen ein gutes, situativ richtiges Verkaufsgespräch zu führen.

O.k., das ist schon richtig und gilt für alle Verkaufsgespräche. – Daran ist auch nichts neu. Es geht immer darum mit der passenden inneren Haltung seinem Kunden gegenüberzutreten und die angemessenen Worte zu finden. Ich denke auch, dass das viele Verkäufer, egal in welcher Branche, intuitiv richtig angehen.

Ja, gewiss, doch bei Golomb käme noch hinzu, dass er sich dabei frei von Vorurteilen macht. Dies geht soweit, dass er unterschiedslos die gleichen Konditionen nennt, egal wer gerade vor ihm steht.

Sich vorurteilsfrei dem Kunden zu begegnen ist eine gute Sache, zweifelsfrei. Das scheint mir aber ein sehr idealistisch gezeichnetes Bild zu sein. Denn schon die Anpassung auf den individuellen Gesprächspartner braucht den Gedanken der Differenzierung.

Machen wir es an einem Beispiel fest. Da kommt jemand mit abgerissenen Klamotten daher und interessiert sich für eine Luxuslimousine. Was macht das mit Dir?

Das ist für mich die Herausforderung, die mir an meinem Job Spaß macht. Ich versuche in diesem Moment herauszufinden, wen ich vor mir habe und wie groß sein wirkliches Interesse ist. Das ist die sportliche Herausforderung.

Ja, aber ist man in diesem Augenblick nicht versucht die Person abschätzig zu betrachten? – Denkt man da, ob sich wohl so jemand überhaupt einen entsprechenden Wagen leisten kann.

Diesen Gedanken halte ich tatsächlich möglichst von mir fern. Vielmehr versuche ich mir in kurzer Zeit ein Bild zu machen, welches Potenzial dieses Gespräch besitzt und bin offen auf das Ergebnis.

Offenheit statt des vermeintlichen Wissens im Vorurteil?

Die Einschätzung kommt schon, aber dann als „Nach-Urteil“. Und natürlich gibt es immer auch bestimmte Muster, die wiederkommen. Da hilft dann eine gewisse innere Gelassenheit und der Respekt weiter. – Hingegen, gibt mir mein Gegenüber das Gefühl mir die Zeit zu stehlen, lass ich es schon auch im Gespräch zum Schwur kommen. – Die Sicherheit dazu wächst mit der Berufs- und Lebenserfahrung.

„Will ein Verkäufer Erfolg haben, muss er in der Lage sein, herauszufinden, um welchen Kundentyp es sich handelt“, zitiert Gladwell in seinem Buch Bob Golomb.

Nun ja, da sind wir dann wieder bei den Workshops rund um das AURIS-Persönlichkeitsprofil und dem Thema Menschenkenntnis für den Hausgebrauch. Alles was unsere Gedanken zu strukturieren vermag, macht uns schnell und klar im Kopf. Und wo dennoch Fehler unterlaufen, hilft bekanntlich die Lernbereitschaft, die – by the way – lebenslang gilt.

Der Ulmer Neurobiologe Manfred Spitzer hat mal gesagt, unser Gehirn sei eine Regelextraktionsmaschine.

Klar, wir suchen ständig nach wiederkehrenden Mustern. –

Mit einem an sich „denkfaulen“ Gehirn haben wir die Wahl, entweder es uns ganz einfach zu machen mit unreflektierten Vorurteilen oder uns all der Erkenntnisse zu bedienen, die uns dabei unterstützen anderen Menschen in der Kommunikation nach dem Sender- und Empfänger-Schema gerecht zu werden.

Und genau letzteres haben wir in den Workshops trainiert. – Aber lass uns noch auf einen weiteren Punkt zu sprechen kommen.

Golomb sagte mal in einem Interview, dass es eine Frage gäbe, die er einem Kunden nie stellen würde. Lieber würde er sterben bevor ihm diese Frage über die Lippen käme, nämlich:

„Was kann ich für Sie tun, damit Sie heute noch kaufen?“

Witzig. – Das ist genau das, was heute von einem Verkäufer gefordert wird: schneller Abschluss. Der Kontakt zum Kunden auf Dauer ist anscheinend schon nicht mehr gewollt.

Nur weil sich mit der Online-Technik unsere Optionen vervielfachen, ändern sich noch lange nicht automatisch die Entscheidungsgewohnheiten der Menschen.

Das ist der Punkt. Der Mensch an sich kommt hier zu kurz, wird reduziert auf ein Digitalprinzip von Ja und Nein, hat zu funktionieren. Dabei ist der Verkauf von Mehr-Wert-Produkten nach dem Kontakt das Ziel der Stunde. Das gelingt nur, wenn wir im Kunden den Menschen sehen.

Und wenn dies unberücksichtigt bleibt?

Dann wird nach Schuldigen gesucht!

O.k., wie sieht dann die Lösung aus?

Aus Betroffenen müssen Beteiligte werden. Es geht nicht an über die Köpfe der Leistungsträger hinweg akademische Kopfgeburten auszurollen. So funktioniert der Verkauf nicht.

Du sprichst jetzt von den erforderlichen Rahmendaten im Vertrieb.

Ganz genau. Nicht nur Excellisten können den Vertrieb steuern, sondern maßgeblich das Beziehungskapital des Einzelnen (geschäftlich und privat). Mit dem Einsatz von Leadsystemen einher geht die Gefahr der Konkurrenz innerhalb der Vertriebsmannschaft, die über den sportlichen Ehrgeiz hinaus geht und in eine Rivalität jeder gegen jeden umschlägt.

Futterneid also. – „Topfgemeinschaften“ sind mehr denn je äußerst wichtig!

Ganz genau. Das schadet dem Teamgeist und erzeugt jenen Stress der krank macht. Für mich selbst war rasch klar, dass mir dieses Leadsystem binnen Jahresfrist die Energie und die Lust raubt.

Und auch ganz wichtig: der Vertrieb braucht mehr als alle anderen Abteilungen im Unternehmen ein großes Stück an Freiheit.

Wenn stets Klicks bei aufpoppenden Zeiten/Listen zu bearbeiten sind (Klickkultur), dann kann man den Job nur 2-5 Jahre machen und dann ist man „verbrannt“ und sucht das Weite. Oder man hat nur im Verkauf schnuppern wollen, um dann die Erfolgsleiter zu erklimmen; das sind dann die Hopser, die auch viel im Vertrieb zerstören, weil sie nur die kurze Zeitachse sehen und nicht auf Dauer den Erfolg suchen, wie z.B. durch echte Akquisition. Diese Akquise ist auf Dauer angelegt und bringt oft erst nach 3-5 Jahre den gewünschten Erfolg.

Lass uns nochmals darauf zu sprechen kommen, was den Vertriebserfolg auszeichnet …

Sorry, davor möchte ich noch einen letzten Punkt ansprechen, der mir auch zur Rahmensetzung ganz wichtig erscheint.

Produktschulungen sind nämlich sehr wichtig und da unterscheide ich persönlich zwischen Onlineschulungen und Schulungsevents mit Austausch/Gesprächen mit anderen Kollegen aus anderen Regionen. Das Verhältnis dazu sollte 20 % zu 80 % an Events sein, weil erst da die Vertiefung zum Produkt aktiv erfolgt und gezeigt/erlebt wird. Eine preiswerte Dienstwagenregelung, um alle Produkte auch fahren zu können ist mehr denn je der Schlüssel zum Erfolg.

Nur was ich selbst ständig bedient/gefahren habe; über das kann ich aktiv reden/informieren, zumal auch die Technik atemberaubende Sprünge vollzieht.

Hier kommt es also auf den modus vivendi bei der Dienstwagennutzung durch einen Verkäufer an. O.k., das musst ich noch zur Abrundung des Themas mit einbringen.

Gut, kommen wir nun zu dem, was den Verkaufserfolg von Seiten der Person bzw. der Persönlichkeit des Autoverkäufers beeinflusst. Welche Aspekte siehst Du hier, als sagen wir mal Schlüsselqualifikation?

Ein erfolgreicher Verkäufer muss mit Herzblut bei der Sache sein und hinter dem Produkt stehen, das er vertreibt/anbietet.

Weiterhin: die goldene Regel ist hin-hören statt oberflächlich zu-hören und in der Folge W-Fragen stellen. Aufgrund des so gewonnenen Gesamtbildes kann der Kunde sinnvoll beraten und Empfehlungen ausgesprochen werden. Wo dieses Zusammenspiel gelingt, fühlt sich der Kunde verstanden und wird sich immer wieder an diese Gesprächsqualität gerne zurückerinnern.

Und zum Wiederkäufer werden.

Das Ergebnis von Vertrauen, nichts weniger.

Du sprachst mal davon, dass es prinzipiell möglich sei, dass die Zukunft in meinem Autoverkauf einmal dahin gehen kann, dass bei einem Neufahrzeug sämtliche Möglichkeiten der Nutzung von der Sitzheizung bis zum Sicherheits- und Fahrerassistenzsysteme bis hin zur Standheizung verbaut sind. Dann würde durch die Freischaltung und damit über monatliche Kosten pro Nutzungseinheit Hersteller wie das Autohaus seinen Umsatz generieren. Siehst Du dieses Szenario noch so?

Der Onlineverkauf ist wie geschaffen dafür. Es wird kein Verkäufer mehr benötigt und nur noch die Dienste wären freizuschalten, die der Kunde aktuell benötigt/will.

Ist das eine wünschenswerte Vision aus Deiner Sicht?

Nein! Vielen Online-Kunden „hüpfen“ von einem Autohaus zum anderen. Sie mag kommen, aber das Beziehungskapital wird dann darunter leiden. Dann wird es den Autohäusern wie den Banken gehen. Vor Jahren haben die Banken den Kunden ausgesperrt und an die Automaten verwiesen und sich dann gewundert, dass die Kundenloyalität in den Keller geht. – Und jetzt im Automobilsektor ist damit zu rechnen, dass Verkäufer durch „preiswerte“ Produktexperten ersetzt werden. Die Kostenersparnis steht hier im Vordergrund.

Beziehungen kann man eben nicht digitalisieren.

Und Vertrauen muss man sich verdienen.

Welche Unterstützung erwartest Du von Seiten der HR-Abteilung (Human Resource Management bzw. Personalwesen)? Wie kann der Vertrieb sinnvoll durch die Personalabteilung unterstützt werden?

Eine gute Personalarbeit kann sich in mehreren Punkten auszeichnen. Das fängt schon damit an, dass sie es mental ertragen können muss, dass ein guter Verkäufer so viel und mehr verdienen kann, wie eine Top-Führungsperson. – Das ist aber nicht alles. Die HR muss sich für die Freiheiten der Verkäufer mit einsetzen. Die Lust auf Leistung kommt – das haben uns doch Deine Persönlichkeitsprofile vor Augen gehalten – bei dieser „Spezie“ an Persönlichkeiten nur auf, wenn sie sich entfalten können. Vertriebler brauchen bei erwarteter Eigendisziplin eine lange Leine. Kontrolle ist der Erstickungstod durch Strangulation. Führung muss wissen, was sie tut. Und, ihre Legitimation leitet sich nicht dadurch ab, dass sie Statistiken lediglich dazu führt, um zu kontrollieren und an der Kandare zu halten. „Klick da und dort“, Nein!

Jede Online-Funktion ist eine Option auf Überwachung.

Die Online-Tools sind Segen und Fluch zugleich. Ja, gewiss. Es kommt immer darauf an, wie wir damit umgehen; konstruktiv oder destruktiv?! Sich ständig überwacht fühlende Vertriebsprofis werden über kurz oder lang psychisch krank. Und auch jene, die wie gebannt vor ihren PC’s sitzen und auf Online-Klicks zur weiteren Bearbeitung warten. – Aber zurück zu HR. Ich schätze sehr an einer Personalabteilung, wenn sie darauf achtet, dass gut geführt wird. An der Qualität der Führung hängt ein Gutteil der Motivation. Man darf erwarten, dass Verkäufer hochgradig intrinsisch motiviert sind, aber auch empfänglich sind für gute Führung, die sieht und fördert, was geleistet wird. Der Umsatz wird im Vertrieb realisiert und nicht nur über Excel-Listen und Statistiken.

Wertschätzung, also!

Ja, so banal und doch so wirksam. Und diesen Kulturbeitrag muss das Personalwesen weiterhin leisten und fördern.

Und wie steht es um Mitarbeitergespräche?

Welche Mitarbeitergespräche?

Nicht die anlassbezogenen, sondern die Quartals-, Halbjahres- oder Jahresgespräche.

Die Hygienegespräche also, wenn man so will.

Sind Sie Dir nicht so wichtig?

Nein, das will ich damit nicht gesagt haben. Sie sind sogar sehr wichtig, wenn sie richtig vollzogen werden. Einen Standardbogen ausfüllen und ein schulterklopfendes „weiter so“, wäre mir zu wenig.

Online-Unterstützung wie bei der time2talk-Methode im Selbst- und Fremdbildabgleich?

Mitarbeitergespräche dieser Art machen für mich nur Sinn, wenn sie durch und durch professionell geführt werden. Und natürlich gehört die Vorbereitung über individualisierte Online-Tools mit dazu. Der Verkäufer muss auch im Internet mit Bild und Direktdurchwahl zu erreichen sein und nicht nur über Callcenter.

HR muss also koordinieren, qualifizieren (incl. Führungskräfte) und die Prozesse zu Gunsten einer Hochleistungskultur unterstützen.

Ja, richtig. Die HR und auch die Führungskräfte müssen verstehen, dass ein erfolgreicher Verkäufer wie ein Landwirt arbeitet. Das Säen steht für den Aufbau von Kontakten, er pflegt die aufgehende Sat und erntet zeitversetzt, wenn man lange genug dabeibleibt und nicht die Lust darüber verliert. Ein Topverkäufer lebt nicht von Einmalgeschäften. Er bekommt vielmehr Post von zufriedenen Kunden, die ihn auch weiterempfehlen. Das ist Fakt!

Sehr guter Verdienst auch deshalb, weil die Arbeit für das Unternehmen/den Vertrieb auch im Privaten mit vielen Kontakten außerhalb der Arbeitszeiten den Mehrwert an Erfolg im Verkauf generiert.

Würdest Du sagen, dass man Hochleistungskulturen gezielt aufbauen und managen kann?

Ja, uneingeschränkt unter zwei Bedingungen. Zum einen muss der Anreiz über die Bezahlung weiterhin stimmen. Und zum anderen braucht es aber immer auch ein paar Leute, die open minded sind und sich über den Weg und das Ziel einig sind. Aber ansonsten – ist machbar, definitiv.

Welches Ziel hast Du Dir aktuell gesteckt?

(lacht) In vorzeitigen Ruhestand gehen und das so schnell wie möglich.

Danke auch für dieses zweite Interview.

Ja, passt. War wieder gut und ganz in meinem Sinne Wissen weiterzugeben.

Interviewte: langjähriger Autoverkäufer für einen sehr renommierten Autobauer

Interviewer: Norbert W. Schätzlein, E-Mail: schaetzlein@antaris.biz

den ersten Interview-Teil vom 27.07.2020 finden Sie hier unter: https://www.personaler.de/unternehmer-cockpit/interview-mit-einem-nachhaltig-erfolgreichen-autoverkaeufer/

Bildquelle: Pixabay, von DigitalLove, freie Nutzung; vielen Dank

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