Wird hier ein Tabuthema angestoßen? – Nein. Wenn Sie etwas geheim halten wollen, dann stellen Sie es öffentlich zur Schau und deklarieren es nur um. Wie in dem Märchen von „des Kaisers neuen Kleidern“ oder im vielbeachteten Buch/Film „Der DaVinci-Code“ greift der Begriff Skotom. Wir sehen, was wir sehen wollen bzw. was man uns sagt; kognitive Dissonanzen werden in Kauf genommen. Die obige Spiegel-Reportage zu gefährlichen und „milden“ Psychopathen endet mit einem Zitat von Bhagwan. Dieser wurde dereinst konfrontiert mit einem offensichtlichen Missverhältnis von Anspruch und Wirklichkeit. Auf die Frage, warum er Bescheidenheit predigen würde und selbst im Luxus schwelge, antwortete er mit den Worten: „Fünf Prozent der Menschen sind intelligent, die restlichen 95 Prozent sind unsere Anhänger.“ 1)

Unser aktuelles Wirtschaftssystem belohnt Psychopathen.
Es setzt auf Wettbewerb, Konkurrenz, Ellenbogenmentalität, Hierarchie, Egoismus, Gewinnmaximierung, usw.. Wie selbstverständlich spült es auch die Personen an die Spitze, die den gesetzten Kriterien genügen. So funktionieren Systeme nun einmal: es kommt zusammen, was zusammen gehört.

Kleine Unmoral als Chance für großes Vermögen
In Insiderkreisen ist es längst ein offenes Geheimnis, dass mehr wie jedes zweite Vermögen auf Übervorteilung – bzw. diplomatischer formuliert: einem Strategem -, Betrug oder gar einem Verbrechen gründet.2) Es fängt mit der Unterschrift eines Professors unter die Arbeit eines Studenten an, setzt sich dort fort, wo Ärzte in jedem Patienten eine gewünschte, finanziell lukrative OP sehen, kennt die Korruption bzw. etwas eleganter formuliert die Handsalbung und endet noch lange nicht dort wo Vorgesetzte Mitarbeiter mit der erforderlichen Skrupellosigkeit um ihre Rechte bei Erfindungen bringen.3)

Die Phantasie bietet reichlich Stoff für die kleinen Tricksereien am Anfang von was Großem.

Merkmale von Psychopathen
Zu den Merkmalen von Psychopathen gehören auch die ausgeprägten Stärken, die sie souverän und charismatisch erscheinen lassen. Die vom Spiegel zitierte Studie von Robert Hare hebt folgende Negativmerkmale von Psychopathen besonders hervor:

– übersteigertes Selbstwertgefühl,
– Unaufrichtigkeit verbunden mit einem Mangel an Reue oder Schuldgefühl,
– Verantwortungslosigkeit,
– wahlloses sexuelles Verhalten und
– Impulsivität (hohes Aggressionspotenzial).

Die wirklich coolen Typen scheinen die Psychopathen zu sein! Gerade ihre Neurosefreiheit (Abwesenheit von Angst, Besorgnis und Nervosität), ihr ständiges Mantra vom Everything Goes gepaart mit extrem hoher Zielfokussierung macht sie zu den idealen Karrieristen. Die Zeitschrift Welt der Wunder nimmt sich ebenfalls der Psychopathen an und hebt die Macher-Eigenschaften hervor, die in einer Chef-Etage zu einer guten Figur beitragen: „Sie schieben nie etwas auf die lange Bank und arbeiten somit effektiver.“ 4)

Sie sind mitten unter uns
Nach einer Studie 5) von Robert Hare, Paul Babiak und Craig Neumann aus dem Jahre 2010 findet sich im Schnitt der Bevölkerung unter 100 Männern über 18 Jahre ein Psychopath. In Top-Führungspositionen von Institutionen und Unternehmen erhöht sich die Zahl der „erfolgreichen Psychopathen“ auf 5 von 100. 6)

Weniger graue Gehirnmasse: Im Gehirnscan zeigt sich, dass Teile des Gehirns bei Psychopathen unterentwickelt und weniger aktiv sind. Der Defekt im paralimbischen System umfasst die Amygdala oder auch Mandelkern genannt („Angstregulator“), das Cingulum, die Insula und den orbitofrontalen Cortex (Stirnhirn, direkt hinter den Augen). Dieses Areal ist zuständig für Einfühlungsvermögen, Moralverständnis und impulsgesteuertes Sozialverhalten.
Weniger graue Gehirnmasse: Im Gehirnscan zeigt sich, dass Teile des Gehirns bei Psychopathen unterentwickelt und weniger aktiv sind. Der Defekt im paralimbischen System umfasst die Amygdala oder auch Mandelkern genannt („Angstregulator“), das Cingulum, die Insula und den orbitofrontalen Cortex (Stirnhirn, direkt hinter den Augen). Dieses Areal ist zuständig für Einfühlungsvermögen, Moralverständnis und impulsgesteuertes Sozialverhalten.

Da sie die Mimik 7) ihres Gegenübers perfekt lesen können 8), ihre Rhetorik brillant ist, nützt es allen anderen wenig sich mit Verstellung oder Täuschung bei Psychopathen beliebt machen zu wollen. Wer mit ihnen Geschäfte machen will, muss sich ihnen entweder unentbehrlich machen, oder sie dort „unter Vertrag“ nehmen, wo sie schwächeln. Funktioniert die Zusammenarbeit nicht nach Maß, bleibt es nicht aus, die juristische Schlinge enger zu ziehen. Aber Vorsicht: Psychopathen lieben es vor Gericht zu ziehen und ein Vergleich kommt ihnen gerade recht, reduziert sich doch so elegant die gegen sie gerichtete Forderung auf die Hälfte.

Nicht jammern, sondern arrangieren
Gäbe es alternativ oder doch zumindest parallel Wirtschafts- und damit verbunden auch Finanzsysteme, die auf Kooperation, Ganzheitlichkeit, Nachhaltigkeit, Gewinnoptimierung, usw. ausgerichtet wären, hätten wir nach dem Gesetz der Anziehung jene Charaktere, die diesen speziellen Anforderungen gerecht würden.

Wenn Psychologen nur Trostpflaster verschreiben
Diese Komplementarität verschiedener Systeme wird gesellschaftspolitisch nicht wirklich ernst diskutiert. Wenn Menschen unter Psychopathen an der Spitze von Organisationen und Unternehmen leiden, dann stellt sich das Heer der Psychologen und Gesundheitsapostel zur Seite und verteilt Trostpflaster. Die Psychologie ist mit ihren Erklärungsmustern längst am Ende. Sie muss sich neu formatieren und auf einer Metaebene erkennen, dass unser Geldsystem das Bewusstsein bestimmt. 9)

Wer muss sich ändern: das System oder das Individuum?
Folglich ist Psychologie (nur) eine Teildisziplin der Finanz- und Wirtschaftssysteme. Das wird der Psychologie nicht gefallen, doch die Beweislage ist evident. Wenn Menschen den Sinn vermissen, sich im Hamsterrad abstrampeln und dabei nicht vom Fleck kommen, Gesundbeter ihnen erzählen, dass sie einfach nur positiv denken und sich mehr anstrengen müssen, fehlen die wirklich hilfreichen, ursächlichen Antworten. Win-Win, oder Win-Lose? In jedem Spiel gibt es Regeln, in Finanz- und Wirtschaftssystemen ist das nicht anders.

Weiteres hierzu, und wie das alles schon mal ganz anders erfahren werden konnte, findet sich im Vortrag:

Die leuchtenden Finanzinnovationen des dunklen Mittelalters – eine Zeitreise streift Oberschwaben.
Referent: Norbert W. Schätzlein
Dieser Vortrag hat Premiere am 6.5.2013 um 18.00 Uhr in der IHK Bodensee-Oberschwaben.

Anmeldungen bitte über:
https://www.unikam.de/eventmanager/index/veranstaltung/vid/2942/tid/V597/kategorieID/28

https://www.xing.com/events/leuchtenden-finanzinnovationen-dunklen-mittelalters-zeitreise-streift-oberschwaben-1239118

Autor: Norbert W. Schätzlein

Quellen:
1) Thadeusz, Frank in: Der Spiegel: Raubtiere ohne Kette, Könnte man auch Karriere machen, statt zum Serientäter zu werden? Seelenkundler entdecken den Typus des beruflich erfolgreichen Psychopathen. Ein britischer Gelehrter glaubt sogar, dass jeder von den Gestörten lernen kann., Heft 16, Hamburg: SPIEGEL-Verlag Rudol Augstein GmbH & Co. KG, 2013, S. 111-113
2) vgl.: Senger, Harro von: 36 Strategeme für Manager, 2. Aufl., München: Piper Verlag GmbH, 2008
3) vgl.: Collins, Jim: Der Weg zu den Besten, Die sieben Management-Prinzipien für dauerhaften Unternehmenserfolg, aus dem Amerikanischen von Baltes, Martin und Böhler, Fritz, München: Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, 2003
4) Oliver, Alexandra Jane in: Welt der Wunder: Wie durchschaue ich einen Psychopathen?, Heft 4, Hamburg: Heinrich Bauer Verlag KG, 2013, S. 28-32
5) Paul Babiak Ph.D., Craig S. Neumann Ph.D., Robert D. Hare Ph.D. in: Behavioral Sciences & the Law: Corporate psychopathy: Talking the walk, Volume 28, Issue 2, pages 174–193, March/April 2010
6) vgl.: http://dasgehirn.info/denken/im-kopf-der-anderen/psychopathen-eine-welt-ohne-empathie
7) Wahrnehmung von Mikroausdrücken im Gesicht, d.h. „winzige und unwillkürliche Bewegungen der Gesichtsmuskulatur, die im Bruchteil einer Sekunde ablaufen und die wahre Verfassung eines Menschen offenbaren“, vgl. Der Spiegel, 16/2013, S. 111-113
8) die Psychologie ist sich uneins; die einen attestieren Psychopathen ein Mangel an Empathie, während andere vermuten, „dass die meisten Betroffenen im Gegenteil in besonderer Weise fähig sind, die Empfindungen ihrer Mitmenschen zu entschlüsseln; nur nutzen sie ihr Wissen dann lediglich zu ihrem Vorteil“, vgl. Der Spiegel, 16/2013, S. 111-113
9) vgl.: Schumpeter, Joseph, A.: Das Wesen des Geldes, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1970

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