Es klingt so logisch – und ist doch so kurz gedacht: Weil die Generation Z mit Smartphone und Social Media aufgewachsen ist, müsse Weiterbildung für sie zwangsläufig online stattfinden. Dieses Mantra hat sich in der Branche festgesetzt, wird wiederholt, als sei es ein Naturgesetz, und dient vielen Anbietern als bequeme Rechtfertigung für immer neue digitale Formate. Doch wer genauer hinsieht, erkennt rasch: Hier verselbständigt sich ein Irrtum, der die entscheidenden Stolpersteine dieser Generation ausblendet.

Denn warum sollten junge Menschen noch mehr von dem erhalten, was sie ohnehin längst im Übermaß konsumieren? Die Körperhaltung spricht Bände: nach vorn geneigter Kopf, gesenkter Blick, der typische „Handy-Nacken“ als Symbol einer Generation, die ihr Leben im Display organisiert. Digitale Überfütterung ist längst Realität. Noch mehr Online-Angebote führen nicht automatisch zu mehr Lernen – im Gegenteil. Wer ohnehin täglich in Reizen, Clips und Notifications versinkt, braucht Kontraste, nicht Verstärkung des Gewohnten.

Gerade dort, wo diese Generation Schwächen zeigt, ist Präsenz unschlagbar. Viele junge Menschen haben den natürlichen Dialog verlernt. Ein Gespräch auf dem Flur, ein kurzer Austausch in der Kaffeepause, die Dynamik einer Diskussionsrunde – all das lässt sich virtuell nicht abbilden. Kommunikation im echten Leben ist jedoch eine Schlüsselkompetenz, und Präsenztrainings eröffnen die Räume, in denen sie geübt werden kann.

Hinzu kommt die Unsicherheit im zwischenmenschlichen Auftreten. Smalltalk, Körpersprache, spontanes Reagieren: Vieles wirkt unbeholfen und unausgereift. Virtuelle Formate kaschieren diese Defizite, Präsenz hingegen macht sie sichtbar – und damit bearbeitbar. Hier entsteht die Reibung, an der man wachsen kann.

Auch der Mangel an Fokus und Durchhaltevermögen wird im digitalen Raum nicht behoben. Die 15-Sekunden-Logik von TikTok prägt längst die Aufmerksamkeitsspanne. Doch nachhaltiges Lernen braucht längere Spannungsbögen. Präsenz zwingt zur Aufmerksamkeit, verlangt Konzentration und trainiert genau jene Ausdauer, die im Berufsleben unverzichtbar ist.

Was bedeutet das konkret für die Weiterbildungspraxis? Es reicht nicht, Präsenz einfach als nostalgisches Relikt zu betrachten. Vielmehr sollte sie bewusst neu inszeniert werden. Sinnvoll sind Formate, die Online-Lernen nicht ersetzen, sondern ergänzen – allerdings nicht als Alibi, sondern als Herzstück. Präsenztrainings sollten Interaktionsgarantie bieten: weniger Frontalvortrag, mehr Übungen, Gruppenarbeit, Rollenspiele und spontane Aufgaben. Entscheidend ist, dass Sozialkompetenz als eigenständiges Lernziel verankert wird. Es geht nicht allein um Fachwissen, sondern um Sprache, Auftreten und Beziehungsfähigkeit. Besonders wirksam sind Mentorenprogramme, bei denen junge Teilnehmer in reale Begegnungen mit erfahrenen Kollegen treten und so einen Lernraum erleben, der kein Bildschirm je simulieren kann.

Die Wahrheit ist – wie immer – unbequem: Die Generation Z braucht nicht noch mehr Bildschirmzeit. Sie braucht reale Räume, in denen sie sich ausprobieren, scheitern, lernen und wachsen kann. Weiterbildung, die diesen Aspekt ignoriert, verfehlt ihr Ziel. Deshalb sollte sich die Branche ehrlich fragen: Wollen wir die junge Generation wirklich in noch mehr Webinare schicken – oder endlich wieder ins echte Leben?

Autor: Norbert W. Schätzlein, E-Mail: schaetzlein@siris-systeme.de

Bildquelle: Titelbild erstellt mit KI (DALL·E, OpenAI) nach einer Idee des Autors

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