(Dieser Blog ist nur etwas für Hartgesottene, deshalb einfach den letzten Absatz lesen; reicht als Quintessenz völlig aus!)

Natürlich wäre hier noch AGG-gerecht zu ergänzen: (m/w), soviel political correctness muss sein.
Ist das heutzutage in einer postmodernen, aufgeklärten Gesellschaft überhaupt noch ein Thema? – Die hier vertretene These lautet: Ja! Und uneingeschränkt.
Für die absolute Mehrzahl der Menschen denen ich in einem langen Berufsleben begegnet bin, ist der erste Blick auf eine Visitenkarte ein suchender.
Für den ersten Eindruck gibt es bekanntlich keine zweite Chance, es sei denn das kleine Businesskärtchen birgt positive Überraschungen in Form von ergiebigen Titeln.
Unser ansonsten prüfendes Gehirn, das Fremden gegenüber eher zum Misstrauen neigt, schaltet jetzt um auf Kompetenzvermutung und schenkt dem Gegenüber das Vertrauen und die Dignität, die ohne Titel mühsam erworben werden müsste.
Aus dem res cogitans (das denkende, urteilende Ich) wird ein Art res simplificar.
Promoviert sein, heißt kompetent sein, so die einfache Formel für unser soziomorph programmiertes Gehirn.
Das mag nur für manchen Leser ohne Titel-Batterie recht frustrierend klingen, insbesondere, wenn das fachliche Zutrauen hoch ist. Deshalb etwas plakativ gefragt: Haben Sie schon mal mit Verbänden zu tun gehabt? Das ist nicht immer aber immerhin häufig ein Schonraum und Refugium für promovierte Fachspezialisten mit dem elaborierten Vokabular einer akademischen Elite, die die Welt immer nach stets messbaren Vorstellungen definiert und Validität als Lieblingswort führt.
Mit induktiv gewonnener Erfahrung oder fundierter Interdisziplinarität kann man diese Personen zwar beeindrucken, aber – da außerhalb ihrer Vorstellungswelt – nicht überzeugen.
Und so ist es auch andernorts, wo Spezialisten Entscheidungsträger sind, denn sie sind per Definition die unangefochtenen Helden auf einem Gebiet, das sich so weit verzweigt hat, dass die Wissensnische zur Einbahnstraße wird.
Wer jetzt immer noch glaubt, der Autor dieses Blogs übertreibe unzulässig nach monistischer Denkart in Bezug auf Titelgläubigkeit, der möge bitte – sine ira et studio (ohne Zorn und Eifer) – eine x-beliebige Bilanz aufschlagen und die Vorstandsliste durchsehen, um die conditio sine qua non (notwendige Bedingung) nachzuvollziehen.
In der Tat gibt es da immer auch welche ohne Dr.-Grad, aber das sind dann nur (nicht despektierlich zu verstehen) die Betriebsräte kraft Mitbestimmungsgesetz.

Müssen wir nicht alle lebenslang lernen? – Sollte man meinen, aber ist erst mal der Dr.-Status erreicht kann bildungstechnisch ausgespannt werden, die Halbwertszeit des Wissens hin oder her.
Die Frage wann jemand zu welchem Thema die Hochschule besuchte und sich seitdem weiter entwickelt hat (oder eben auch nicht), wird – da sozial unerwünscht – nicht gestellt.
Der Dr. befähigt zu allem und jedem, insbesondere aber in der Politik, wo er zum Adelstitel des Bürgertums wird.
Und wenn man es zufällig ohne den akademischen Ritterschlag in den Kreis der Eliten geschafft haben sollte, helfen gute Verbindungen und rührige Geister zur Erlangung des Doktors ehrenhalber (Dr. h.c.), was Augenhöhe ex nunc sichert.

Wenn Sie wenigstens zu 50% im Businesstalk ernst genommen werden wollen, dann bleibt Ihnen immer noch meine Variante der Dinge, nämlich die Verheiratung mit einer Bankkaufmann, Diplomkaufmann und Dr. rer. pol. und sie können plötzlich alles sagen, was andere [scheinbar] nicht einmal denken [dürfen].
„Die Menschen sind verschieden und nur darin sind sie gleich.“ (Michel Eyquem de Montaigne, 1533-1592, Politiker, Philosoph und Essayist)

Und hier abschließend noch der Fall W. L. Gore & Associates, also die Firma, die mit wasserfesten GORE-TEX-Materialien weltweit bekannt und erfolgreich geworden ist.
Hier suchen Sie auf Visitenkarten vergebens nach Titeln. Hingegen steht hier kurz und knapp: Associates, also Teilhaber, da sie jährlich einen Teil ihrer Bruttobezüge in Aktien erhalten und somit Mitunternehmer sind.
„Die Leute dort haben keine Chefs, sie haben ‚Sponsoren‘ – ‚Mentoren‘ -, die sich um sie kümmern und ihre Interessen wahrnehmen. Es gibt keine Organigramme, keine Budgets, keine Umsatzpläne.“ (Quelle: Gladwell, Malcolm: Der Tipping Point, Wie kleine Dinge großes bewirken können, aus dem Amerikanischen von Friedrich, Malte, 2. Aufl., Berlin: Berlin Verlag, 2000, S. 187)

Autor: Norbert W. Schätzlein

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