„Stellen Sie sich vor, Sie sind Personalchef eines Unternehmens und haben eine Stelle ausgeschrieben.“ So beginnt ein Kapitel über die unbewusste Fähigkeit der Mustererkennung bei der Personalauswahl im Buch von Malcolm Gladwell mit dem Titel Blink! Die Macht des Moments. Weiter heißt es dort auf Seite 40 ff.: „Ich habe Ihnen meine Bewerbung zugeschickt, und Sie haben mich in die engere Wahl genommen. Sie haben sich meinen Lebenslauf angesehen und denken, dass ich die richtigen Voraussetzungen mitbringe. Aber ehe Sie mir zusagen, wollen Sie sich genauer ansehen, mit wem Sie es zu tun haben: Passe ich zu Ihrer Firma? Bin ich ehrlich? Arbeite ich effizient? Bin ich offen für neue Ideen?

Stellen Sie sich vor, Sie hätten zwei Möglichkeiten, um das herauszufinden:

A: Entweder treffen wir uns ein Jahr lang zweimal wöchentlich zum Mittag- oder Abendessen, bis wir uns angefreundet und Sie mich in verschiedenen Lebenslagen kennen gelernt haben.

Oder B: Sie schauen in meiner Wohnung vorbei, während ich nicht da bin, und sehen sich eine halbe Stunde lang um. Welche dieser beiden Möglichkeiten würden Sie wählen?“

Beschrieben wird hier im Weiteren ein Experiment zu B) des Psychologen Samuel Gosling, der mit seinen 80 Studenten herausgefunden hat, dass der Blick hinter die Kulissen auf wichtige Persönlichkeitsmerkmale (Big Five) eines Menschen schließen lassen, die für die Stellenbesetzung relevant sind. Die Studenten beurteilten andere Studenten, denen Sie noch nie im Leben begegnet waren, nach dem, was sie in deren Wohnheimzimmern zu sehen bekamen.

Das gelungene Ergebnis fasst Gosling mit den Worten zusammen:

„Wenn Sie wissen wollen, ob ich gut zu Ihrer Firma passe, dann schauen Sie besser bei mir zu Hause vorbei und stöbern ein bisschen in meiner Wohnung herum.“

Das klingt wie: „Zeig mir Deine Wohnungseinrichtung und ich sage Dir, ob ein Job auf Dich in unserem Unternehmen wartet.“ Wenn wir wissen, wie wichtig die ersten 5 Minuten in einem Bewerbungsgespräch sind, der erste Eindruck entscheidet, dann verwundert es nicht, dass es auch möglich sein kann über die Wohnung Rückschlüsse auf die Charaktermerkmale einer Person zu schließen.

Doch weder Versuchsaufbau A) noch B) sind für Entscheider in der Praxis wirklich realisierbar. Für A) fehlt schlicht und ergreifend die Zeit. Zwei Gespräche sind sinnig und zeitlich machbar, gegebenenfalls erweitert durch Beobachtungen in Arbeitsproben; dann ist aber gut. Und die Situation B) entbehrt in der fiktiven Vorstellung nicht einer gewissen Komik, nach dem Motto: „Ja, wir sehen Sie definitiv in der engeren Wahl, benötigen aber noch einen Blick in Ihr Schlafzimmer.“

Ich glaube wir sind uns einig, dass das in die Hosen geht und der Bewerber mit dem Stinkefinger zeigend von Tannen zieht.

Was aber geht und warum es zu diesem Blog überhaupt kam, ist das erlebte Vorgehen eines mittelständischen Unternehmers, der es sich nicht nehmen lässt, seine Bewerber noch bis zu ihrem Auto zu begleiten. Zum einen ist dies für ihn eine Respektbekundung und zum anderen erhascht er noch einen flüchtigen, aber gezielten Blick vom Auto und wie es im Inneren so grob aussieht. Daraus schließt er auf die Eignung für sein Unternehmen. Im Gespräch zeigt er sich von diesem kleinen Extraaufwand überzeugt und führt seine Trefferquote dazu an.

Warum nicht? Mal was anderes.

Autor: Norbert W. Schätzlein, 08-2020

Bildnachweis für die reine Buchgrafik: Pixabay (von Clker-Free-Vector-Images)

Literaturhinweis:

Gladwell, Malcolm: Blink! Die Macht des Moments, München: Piper Verlag GmbH, 2007

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